Die Wiese der Fackeljungfrauen
Prolog

Fackeljungfrauen wohnen versteckt in der Erde und erscheinen nur bei Vollmond, um auf versteckten Waldwiesen zu tanzen. Wenn sie von Menschen dabei gesehen und gestört werden, verschwinden sie mit einem gellenden Schrei. Die Störenfriede jedoch werden von feurigen Hunden gejagt, bis sie dem Wahnsinn erliegen.

Der Sage nach soll sich an dieser Stelle folgende Begebenheit zugetragen haben:
Vor langer Zeit spielte sich das Leben in Gräfenberg überwiegend innerhalb der alten Stadtmauer ab, da unruhige Zeiten herrschten und es im Inneren einer befestigten Anlage am sichersten war. Guttenburg, ein aus wenigen Höfen bestehender Ort nicht weit von hier, war nur über den sogenannten Teufelstischweg zu erreichen. 

Eines Tages kamen umherziehende Landsknechtshorden an Guttenburg vorbei, verschonten aber diesen Ort und legten einen kleinen, nur wenige Monate alten Buben, in Tücher gewickelt, vor dem windschiefen Haus der Kräuterliese ab. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie mit dem Sammeln von Heilkräutern sowie deren Anwendungen. Sie war alleinstehend und hatte keine Kinder. Umso größer war ihre Freude über dieses „Geschenk des Himmels“. Liebevoll nahm sie sich der Versorgung und Erziehung des Buben an, bis er sich zu einem kräftigen und stattlichen jungen Mann entwickelt hatte. 
Stets war Wendelin, wie er genannt wurde, ihr zu Diensten. Seine Beliebtheit und Zuverlässigkeit war so groß, dass er vom Amtspfleger des Städtchens Gräfenberg als Schäfer angestellt wurde. 

Die Feiertage verbrachte Wendelin am liebsten bei seiner Ziehmutter auf der Ofenbank. An einem gemütlichen Winterabend erzählte sie ihm von den Fackeljungfrauen und der Gefahr, die von ihnen ausgehe, mit der Bitte, sich niemals darauf einzulassen, die Fackeljungfrauen zu sehen. Der Gedanke an die sagenumwobene Schönheit der Tänzerinnen ließ ihn nicht mehr los. Die Neugierde, sie zu sehen, wurde immer größer. Abenteuerlustig, vor Kraft strotzend und mit der klaren Absicht, sich vorsichtig zu verhalten,  beschloss er, im nächsten Frühjahr bei Vollmond zur Waldwiese am Weg nach Guttenburg zu schleichen. 
Er verbarg sich in einem Haselgestrüpp und wartete dort auf den mitternächtlichen Glockenschlag von der nahen Klosterkirche Weißenohe. Kaum war der letzte Glockenhall verklungen, erhoben sich in der mondhellen Nacht strahlend schöne Elfengestalten aus der Wiese empor. In den Händen hielten sie Fackeln, die Haare waren mit Blumen durchflochten. Sie drehten sich anmutig in ihren weißen Schleiergewändern und hoben zum Tanz an. Ihr Duft und der Anblick waren so betörend, dass Wendelin in seinem Versteck einen tiefen Seufzer ausstieß.

Im selben Moment aber verschwanden sie mit einem markerschütternden Schrei. Aus den zurückbleibenden Nebelschwaden stießen sogleich feurige, zähnefletschende große Hunde hervor, die den armen Wendelin bis nach Hause jagten. Vor der Tür des Häuschens seiner Ziehmutter brach er erschöpft zusammen. Die Kräuterliese zog ihren geliebten Wendelin verzweifelt ins Haus, bettete ihn auf ein Lager und pflegte ihn hingebungsvoll. Doch er erhob sich nie wieder und starb.